15.10.2019 - Der Altopiano di Folgaria, Lavarone und Luserna ist ein populäres Mountainbike-Revier. DasHochplateau zwischen der Valsugana und dem Etschtal südlich von Trient erstreckt sich auf etwa 100Quadratkilometern
über Wiesen, Wälder und Weiden. Ausgeschilderte Rundtrails führen von etwa 1200 Meter auf maximal 1800 Meter hinauf. Man radelt auf Schotterwegen, über Stock und Stein, ohne lange Anstiege, wie auf einer Sonnenterrasse mit Panoramablick auf die sich imSüden ausbreitende Poebene. Im Norden ragen die Zacken der Dolomiten empor. Über Nacht hat es geregnet.
Doch als Ugo Gelmi seinen Kunden vor dem Laden eine Einführung in die E-Mountainbikes gibt, scheint die Sonne. Die Sättel sind verstellbar und silikongelgepolstert. Es geht auf eine leichte Tour: zwei Stunden Fahrzeit, 500 Höhenmeter, 40 Kilometer. Zunächst über eine schmale Teerstraße zum Ortsteil Erspameri. Dann aber fordern eine Wurzelpassage in einem Fichtenwald, flankiert voneinemausgetrocknetenBachbett,
Konzentration und vollen Körpereinsatz.
Es wird Zeit, den Turboknopf für die maximale Unterstützung zu drücken. Hinauf zur Vallorsara-Alm ist das zum Glück selten notwendig. Meist genügt die auf dem Display grün markierte Stufe, so ist einsparsamer Batterieverbrauch sichergestellt. Die Regentropfen auf den Fichtenästen glitzern im Gegenlicht. Im Vorbeifahren siehtman einMoor, indemWollgrasweiße Tupfer bildet, anschließend passieren die Radler einen Golfplatz, auf dem Spieler mit Schildmützen die Bälle über den gestutzten Rasen schlagen. Alpiner wirkt die Kulisse am Bauernhof Guez in San Sebastiano hinter dem Sommopass. Serafino Incani steht miteinem geflochtenen Korb voller „Regenbogeneier“ im Arm da. Regenbogen ist vielleicht ein wenig übertrieben. Die Eier in Incanis Korb schimmern zart hellgrün, schokoladenbraun und weiß.
Er halte seltene Hühnerrassen, sagt er. Finde er ein auffallend gefärbtes EiimNest, lege er es indenBrutkasten, so vermehrten sich genau jene Hühner, die naturbunte Eier liefern. Er stammt aus Sardinien und hatte, bevor er seiner Frau in ihr Heimatdorf folgte, keine Ahnung von Landwirtschaft.
Seine Frau Morena bricht gerade mit Touristen und einem Dutzend hier heimischer Bionda-dell’Adamello- Ziegen zu einer Trekkingtour auf. „Die Tiere laufen wie ferngesteuert – als Antrieb dienen Blätter vom Haselnussstrauch in den Händen der Touristen“, sagt Incani.
Ob Ricotta, Vezzena oder Tosella: Auf den Almen gibt es hausgemachte Käsespezialitäten
Für die Radfahrer geht es auf einem Forstweg mäßig steil in dasValOrsana und zur gleichnamigen Alm hinauf. Der Schotter knirscht unter den Stollenprofilen. Anfangs fährt die Gruppe durch dunklen Fichtenwald.
Dann folgen sanfte Grashügel, umzäuntes Weidegelände, wo fliegenumschwirrte Kühe in der Sonne liegen. Im Gras zirpen Heuschrecken, am Himmel kreisen zwei Bussarde.
An Trockenmauern aus hellem Kalkstein leuchten in Büscheln die roten Früchte von Wildrose und Eberesche. Auch die Lärchen, knorrigeMethusalems, natürliche Sonnenschirme für das Vieh inmitten der Weiden, haben bereits ihr honiggelbes, später ins Rostrote wechselnde Herbstkleid angezogen.
Noch ein paar Kehren, ein oder zwei Mal von Sport auf Turbo schalten, dann ist die Alm erreicht. Man sitzt hier auf Holzbänken zwischen zwei steingemauerten Häusern – imeinen ist die Gaststube, im anderen
sind der Stall und einige Gästezimmer untergebracht. Der Blick fällt auf den wie ein Sägeblatt gefurchten Gipfelgrat des Becco di Filadonna, weiter östlich auf die Cima Vezzena, auf deren Kuppe ein Fort ausdem ErstenWeltkrieg steht. Jahrzehnte vor Kriegsausbruch haben im damaligen Grenzgebiet Österreicher und Italiener gewaltige Festungsbauten errichtet.
Almwirtin Mirella Schir serviert Teigtaschen, gefüllt mit Ricotta-Vezzena-Käse aus eigener Produktion. Sie betreibt die Alm zusammen mit ihrem Mann Armando. „Als wir anfingen, waren die Gebäude halb verfallen und die Weiden verbuscht.“ Ein Gehilfe in kniehohen Gummistiefeln bleibt im Vorbeigehen stehen und erklärt, dass die E-Mountainbiker seiner Meinung nach eine Plage seien.
Einigen mangle es an Respekt. „Siebrettern über dieForstwege, als wären es Autobahnen.“
Die heutigen Almgäste haben es nicht so eilig. Nach einem weiteren moderaten Aufstieg, einigenWeidegattern, die zu öffnen und zu schließen sind, sowie einer Abfahrt über mit Schafgarbe und Arnika gesprenkelte
Wiesen gelangt die Gruppe zum Coepass. Der gleichnamige See etwas unterhalb dient alsWasserspeicher für die Schneekanonenringsum, die biszumWinteranbruch unter Nylon verpackt bleiben.
Am Spätnachmittag ist man zurück am Ausgangspunkt in Folgaria. Nachdemlangen Bergabrollen macht sich in den durch gerüttelten Oberarmenleichtes Zittern bemerkbar.
Dagegen hilft vielleicht Armando Schirs Vezzena- oder der Tosellakäse. Auf seinem Hof schneidet Schir den Käse inmundgerechteWürfel. Erbietet auch Joghurt, Ricotta und Caciotta an, einen Weichkäse aus Schafmilch, alles von den eigenen Tieren auf der Alm Vallorsara. Mirella bringt die Milch jeden Abend in Kannen zur Hofkäserei herunter. Weil es nur ein paar Schritte zum geparkten Auto sind, spricht nichts dagegen, etliche Kostproben in den Rucksack zu packen – so fährt der Geschmack des Sommers mit nach Hause.
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